Psychotherapie und Qualität ('Qualitätsmanagement')

"Qualität ist der stärkste Feind jeder Art von Vermassung. (...) Quantitäten machen einander den Raum streitig, Qualitäten ergänzen einander"

Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. München: Kaiser 1958, Überschrift: Qualitätsgefühl, 24ff

Mein Verständnis psychischer Störungen orientiert sich nicht an einer deskriptiven Beschreibung eines defizitären bzw. gestörten psychischen Erlebens und/oder abweichenden bzw. gestörten Verhaltens und dessen Beseitigung mittels spezifischer therapeutischer Interventionen. Vielmehr wird die erlebte Störung der biopsychosozialen Homöostase, also des äußeren und inneren körperlichen, psychischen und sozialen Gleichgewichts, in Richtung psychischen und/oder psychosomatischen bzw. somatopsychischen Leidens als Ausdruck weitgehend unbewußter Konflikte verstanden. Deshalb wird nicht (wie in der somatischen Medizin aber auch in verschiedenen verhaltenstherapeutischen Ansätzen noch üblich) ein Therapieprogramm von 'wissenden' Therapeut*innen durchgeführt. Vielmehr sind die Patient*innen Expert*innen ihrer inneren Welt (einschließlich verdrängter und verleugneter Anteile), die mit Unterstützung der/s Therapeutin/en (Arbeitsbeziehung) in einem geschützten Rahmen (Setting) erforscht werden kann, um die den Symptomen zugrundeliegenden unbewußten Beziehungsmuster zu entdecken. Die Fähigkeit der Psychotherapeut*innen besteht nicht im abstrakten Wissen über Patient*innen, sondern im kreativen Umgang mit dem von Patient*innen anvertrauten Material (Gedanken, Einfälle, Erinnerungen, Phantasien, Träume) und den sich der Erforschung unbewußter Zusammenhänge entgegenstellenden Kräfte (Widerstand, Abwehr) der Patient*innen. Weil sich unbewußte Beziehungsmuster auch in der therapeutischen Beziehung widerspiegeln (Patient*in: Übertragung; Therapeut*in: Gegenübertragung) kommt dem Erleben und Verstehen der therapeutischen Beziehung eine besondere Bedeutung zu.

Die Einsicht in die Untrennbarkeit der Beobachter*innen vom beobachteten 'Gegenstand' impliziert, daß die Therapie im Wesentlichen ein Prozeß ist, der sich in der therapeutischen Beziehung vollzieht. Dem entspricht, daß die Forschung zur Wirksamkeit psychotherapeutischer Behandlungen übereinstimmend davon ausgeht, daß der Erfolg einer Behandlung nicht in erster Linie mit dem Therapieverfahren, sondern zu wesentlichen Teilen mit der Qualität der therapeutischen Beziehung korreliert (vgl. Wampold & Imel & Flückinger (2018): Die Psychotherapie-Debatte. Was Psychotherapie wirksam macht. Bern: Hofgrefe).

Die therapeutische Arbeitsbeziehung ist von einem respektvollen Umgang mit der Persönlichkeit der/s Patientin/en geprägt. Dazu zählt das Wissen um den Einfluß und die Macht der/s Therapeutin/en auf bzw. über das (bewußte und unbewußte) Erleben und Verhalten der/s Patientin/en, die Bereitschaft diesem nicht eigene Wertvorstellungen überzustülpen und eigenen Wünschen in dieser Richtung reflexiv-kritisch gegenüberzustehen (Neutralität), auf die Befriedigung eigener Wünsche und Bedürfnisse zu verzichten (Abstinenz). Der Erfolg der Therapie mißt sich nicht in erster Linie an einer symptombezogenen Veränderung (Besserung), sondern dem Ausmaß der durch die Behandlung erreichten strukturellen Veränderungen im Sinne einer Erhöhung der Freiheitsgrade (Erleben und Verhalten), die an der Veränderung der Beziehungs-, Liebes- und Arbeitsfähigkeit deutlich wird und i. d. R. auch die Veränderung der zu Beginn der Therapie bestehenden Symptomatik umfaßt.

Qualitätsmanagement

Qualitätssicherungsverfahren wie sie heute standardmäßig bei der Herstellung industrieller Güter angewandt werden orientieren sich an der systematischen Erforschung und Optimierung des Produktionsprozesses mit dem Ziel, daß das gefertigte Produkt den funktionalen, ästhetischen und finanziellen Ansprüchen potentieller Kunden genügt. Im Vordergrund der Qualitätssicherung steht die Standardisierung des Produktionsverfahrens und damit des Produkts (gleichartige Beschaffenheit unabhängig von örtlichen, zeitlichen, personellen oder sonstigen Gegebenheiten). Die Qualität wird als Übereinstimmung des Ergebnisses (Ist) mit der Planung (Soll) gemessen und ist um so höher, je geringer die Fehlerquote im Sinne von der Norm abweichender Produkte ausfällt. Die Produktqualität im Sinne der individuellen und gesellschaftlichen Sinnhaftigkeit, Bedeutung sowie des gesundheitlichen und ökologischen Nutzens bzw. Schadens eines Produkts (z.B. Lebensmittel, Zigaretten/Alkohol, Tellerminen) wird hingegen weitgehend vernachlässigt.

Die Anwendung dieser Vorstellung von Qualität auf Beziehungsdienstleistungen im Gesundheitswesen impliziert die Vorstellung (handelnder) Subjekte und (behandelter) Objekte, die aktiv oder passiv Gegenstand eines normierten bzw. Behandlungsprozesses sind, an dessen Ende angepaßte (Verhalten und Erleben im sozialen Normbereich) und /oder zufriedene bzw. gesunde Patient*innen bzw. 'Kund*innen' stehen.

Demgegenüber steht eine Vorstellung von Prozeß- oder Beziehungsqualität, die von den Beteiligten (Psychotherapeut*innen und Patient*innen) in einer jeweils spezifisch ausgestalteten, interaktiven Arbeitsbeziehung gemeinsam hergestellt wird. Standardisierungsbetrebungen mögen dort, wo es um Behandlungsgrundsätze geht (state of the art; somatisch-psychiatrische, pharmakologische Behandlungsleitlinien) sinnvoll und im Sinne einer Heuristik (methodische Anleitung zur Gewinnung neuer Erkenntnisse) hilfreich sein, müssen allerdings immer auch auf den Einzelfall angepaßt werden.

Im Hinblick auf psychotherapeutische Behandlungen – jedenfalls dort, wo die Übertragungs- und Gegenübertragungsbeziehung im Zentrum des Verstehens psychischen Leidens steht (tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie) – stellt die Standardisierung nicht nur ein Problem dar, sie konterkariert geradezu die Zielrichtung dieser Behandlungsverfahren. Zum Einen besteht unter Forscher*innen (über die Grenzen verschiedener therapeutischer Schulen hinweg) weitgehende Einigkeit darüber, daß die Variable der 'therapeutischen Beziehung' einen zentralen Wirkfaktor für den Erfolg psychotherapeutischer Behandlungen darstellt (Wampold & Imel & Flückinger (2018): Die Psychotherapie-Debatte. Was Psychotherapie wirksam macht. Bern: Hofgrefe).

Zum Anderen sind die genannten Behandlungsmethoden gerade nicht auf die Standardisierung (bzw. Anpassung) des Erlebens und Verhaltes der Patient*innen ausgerichtet. Vielmehr verfolgen sie das Ziel einen Prozeß in Gang setzt, der strukturelle Veränderungen in Richtung der Erhöhung (innerer und äußerer) Freiheitsgrade ermöglicht und damit die Arbeits-, Liebes- und Beziehungsfähigkeit stärkt. Die Linderung und Beseitigung der krankheitswertigen Symptomatik findet dabei prozeßbegleitend statt ohne handlungsleitenden Charakter zu haben.

Eine verfahrensspezifische Standardisierung bei der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychothrapie ist insofern allenfalls da möglich, wo unabdingbare Voraussetzungen bzw. Grundsätze für die Behandlung formuliert werden können, so etwa die Wahrung von Abstinenz und Neutralität oder die Berücksichtigung der Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse. Der Versuch die Behandlungstechnik diagnosespezifisch zu standardisieren scheint von daher problematisch, als sich die individuelle therapeutische Beziehung auch innerhalb einer Diagnosegruppe variiert: Was bei einer/m Patientin/en hilfreich ist, kann in einer anderen Behandlung kontraproduktiv sein – ganz abgesehen von der Frage der persönlichen Passung.

Dem widerspricht nicht, daß auch im Zusammenhang der Behandlung bestimmter Patient*innengruppen Heuristiken (beispielsweise für idealtypische Interventionen oder zu erwartenden Übertragungs-/Gegenübertragungskonstellationen) entwickelt werden. Es handelt sich dann aber eben weniger um standardisierte Leitlinien, sondern um ein heuristisches Vorgehen bei dem allgemeine Hypothesen generiert werden, die zur Gewinnung neuer (einzelfallbezogener) Erkenntnisse und damit dem besseren Verständnis der unbewußten Interaktion im Rahmen der therapeutischen Arbeitsbeziehung bzw. der inneren Welt der Patient*innen dienen.

Die Qualität einer Behandlung besteht gerade nicht darin, eine Leitlinie umzusetzen, sondern dem Bedürfnis (der Psychotherapeut*innen und/oder Patient*innen) nach Standardisierung nicht nachzugeben, sondern ihn in seiner Bedeutung bzw. Funktion zu verstehen. So wäre beispielsweise denkbar, daß es um Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht auf Seiten der Psychotherapeut*innen geht, die sich den Heilungserwartungen der Patient*innen (Gutachter*innen, Krankenkassen, Berufskolleg*innen, Angehörige) ausgesetzt sehen.

QM und Psychoanalyse: Zu der in der DGPT (Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefepsychologie e.V. ) geführten Auseinandersetzung über den Sinn von QM

Anmerkung: Die heftigen Debatten um das Qualitätsmanagement in ambulanten Praxen (Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen) sind längst abgeflaut. Die nachfolgende Absätze daher nicht mehr ganz aktuell, aber vielleicht dennoch (historisch) aufschlußreich.

Im (internen) Rundbrief 4/2008 hat die DGPT eine CD mit Umsetzungsvorschlägen für das QM in psychotherapeutisch-psychoanalytischen Praxen vorgestellt: Sie beinhaltet Mustervorlagen (der zu diesem Zweck gegründeten DGPT-Arbeitsgruppe unter Führung von Herrn Platte), die sich teils an das QEP-System der KV'en anlehnen und ist Mitgliedern vorbehalten, die bereits an einem von der DGPT veranstalteten QM-Einführungsseminar teilgenommen haben. Die CD versteht sich (wie auch die von DGPT-Mitgliedern angebotenen QM-Einführungsseminare) als Versuch, den Vorgaben des G-BA zum QM in ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen gerecht zu werden.

Im nachfolgenden Beitrag (Die gesetzliche und ideelle Verpflichtung zum Qualitätsmanagement: Kritischer Gastkommentar zum Umsetzungsvorschlag durch die DGPT-Arbeitsgruppe) äußern sich die Autor*innen (Landis in Zusammenarbeit mit Franke und Döring) skeptisch zum organisatorischen und inhaltlichen Vorgehen. Aus ihrer Sicht lautet die zentrale Frage:

"Wie verbessern Psychoanalytiker die Qualität ihrer Behandlungen? Der psychoanalytisch-psychotherapeutische Behandlungsprozess, welcher sich vom ersten telefonischen Kontakt bis zur letzten Stunde und eventuell darüberhinaus bis zu einer Katamnese erstreckt, ist auf eine ganz spezifische Weise an ein Gespräch und eine dieses ermöglichende Begegnung gebunden: an ein Gespräch, welches den Patienten durch bestimmte Rahmenbedingungen erleichtert, Unbewusstes in der bewussten verbalen wie nonverbalen Mitteilung zu transportieren und welches, in eins damit, die Möglichkeit für den Analytiker optimiert, dieses Unbewusste aufzunehmen und zu reflektieren. Ein solches Gespräch findet nicht nur in der Beziehung mit dem Patienten in der Behandlungsstunde statt; vielmehr stellt es das Wissen generierende und hierdurch das Qualität verbessernde Prinzip in der Selbstreflexion des Analytikers während und nach der Stunde, in seinem Gespräch mit Kollegen in Intervisions- und Supervisionssitzungen sowie nicht zuletzt in Aus-, Fort- und Weiterbildung dar" (Rundbrief 4/2008: 20).

Die Vorlagensammlung der QEP©-AG der DGPT konzentriere sich demgegenüber

"vorwiegend auf diese formale Ebene, so dass betont werden kann, dass diese Vorlagen unsere inhaltliche Arbeit nicht oder kaum berührten, zumindest nicht störten. Eine Fokussierung auf diese Hilfsprozesse ist so verführerisch, weil sie eher Möglichkeiten bieten, immer weiter organisiert und gemanagt zu werden. Das hat Folgen für das Gespräch und seinen Rahmen: Erstere, die Hilfsprozesse, werden aufgewertet (auch nach außen!) und absorbieren die Konzentration, letztere, das Gespräch und sein Rahmen, geraten aus dem Blick. Dabei wird jedoch gerade hier all unsere Aufmerksamkeit benötigt, um wirkliche Qualitätsverbesserungen für unsere Patientinnen und Patienten zu erreichen. Aus psychoanalytischer Perspektive gilt es, ein Qualitätsmanagementsystem zu erstellen, welches knapp und transparent die inneren und äußeren Bedingungen für die Ermöglichung und Verbesserung eines solch fortgesetzten intra- wie interpersonellen Gespräches darlegt. Das ist die Aufgabe, die noch zu leisten ist" (Rundbrief 4/2008: ebd.).

Ich stimme diesen Ausführungen zu. Allerdings gilt es zu bedenken

Exkurs: Money and the Changing Culture of Medicine

Anmerkung: Auch die nachfolgende Absätze sind nicht mehr ganz aktuell, aber vielleicht dennoch (historisch) aufschlußreich.

 

In der Anfang 2009 erschienenen Ausgabe der Zeitschrift 'The New England Journal of Medicine' haben sich die Autoren (zwei Ärzte des Beth Israel Deaconess Medical Center und der Harvard Medical School) Gedanken über Geld und die daraus resultierenden Veränderungen der medizinischen Kultur gemacht. Sie kommen zu dem (nicht ganz überraschenden) Ergebnis, daß die Tendenz jedem Aspekt ärztlicher Tätigkeit und und Leistung einen finanziellen Wert zuzuordnen zu einer Reduktion der Produktivität, einer Minderung der Qualität der Leistung und dadurch sogar zu einem Kostenanstieg  führt (Hartzband & Grooppman: Money and the Changing Culture of Medicine. New England Journal Medicine 360: 101-103). Zu welch absurden Konsequenzen das Prinzip der (begrenzten) Einzelleistungsvergütung geführt hat, sehen wir in der Bundesrepublik Deutschland (bis 2008). War das Praxis-Budget aufgebraucht arbeiteten Ärzt*innen (und Psychotherapeut*innen bei nicht genehmigungspflichtigen  Leistungen) sozusagen 'umsonst'. Ob mit der umstrittenen Honorarreform ab 2009 (Pauschalhonorierung pro Patient*in und Regelleistungsvolumen) das Problem gelöst ist, darf bezweifelt werden. Das auch von den Autoren präferierte Prinzip der Zahlung einer einer Pauschale pro Patient*in kann nur dann für alle Beteiligten (Patient*innen, Ärzt*innen, Krankenversicherungen) zufriedenstellend funktionieren, wenn die Honorierung in angemessenem Verhältnis zur Arbeitszeit und den Praxiskosten steht. Das bei überwiegend psychotherapeutisch tätigen Ärzt*innen und nichtärztlichen Psychotherapeut*innen zukünftig angewandte Verfahren einer Kombination aus zeitbezogener Vergütung psychotherapeutischer Einzelleistungen (50-minütige Sitzung) und einem begrenzten Zeitvolumen pro Quartal (das in etwa 36 Therapiewochenstunden entspricht) erscheint hier weitaus sinnvoller.

QNAP: Qualitätssicherung für niedergelassene analytische Psychotherapeut*innen

In einem von 2001-2004 durchgeführten Projekt wurden Behandlungen niedergelassener Psychoanalytiker*innen (nach dem Konzept "Qualitätssicherung für Psychotherapeutische Praxen", Prof. Rudolf - Heidelberg) mittelt verschiedener Tests und diagnostischer Methoden qualitativ untersucht.

"In der anschließenden Evaluation wurden die Teilnehmer nach ihrer professionell begründeten Einschätzung befragt, ob die eingesetzten Instrumente geeignet sind, Krankheitsbild und Behandlungsergebnisse zutreffend abzubilden, auf Blockaden in den Behandlungen aufmerksam zu machen sowie neue Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten für die Behandlung zu eröffnen. Sie beurteilten den Nutzen der Instrumente für die Qualität der therapeutischen Arbeit, die Praktikabilität im Praxisalltag sowie die Veränderungen von therapeutischer Beziehung, Übertragung und Gegenübertragung durch den Einsatz der Fragebögen. Die Aussagen von 15 Teilnehmern, bezogen auf 63 Behandlungen, erlaubten keine quantitative Analyse; die qualitative Auswertung stellt einen Erfahrungsbericht von berufserfahrenen, am Thema interessierten Praktikern dar. Die Teilnehmer attestierten dem Einsatz der Instrumente einen begrenzten Nutzen, gaben aber auch skeptische bis negative Rückmeldungen zu vielen Aspekten. Der Nutzen rechtfertigte aus Sicht der meisten Teilnehmer den Aufwand nicht. Aus den differenzierten Rückmeldungen lassen sich Konsequenzen für die zukünftige Gestaltung von Qualitätssicherungs- (QS-) und Qualitätsmanagement- (QM-)Maßnahmen folgern."

Piechotta, B. & Müller, U. (2008): Qualitätssicherung für niedergelassene analytische Psychotherapeuten (QNAP). Evaluation eines Qualitätssicherungsprojektes von niedergelassenen Psychoanalytikern in NRW 2001–2004. Forum der Psychoanalyse 24: 382–394 (Zitat: 385)

Maio (2011): Verstehen nach Schemata und Vorgaben? Zu den ethischen Grenzen einer Industrialisierung der Psychotherapie

Eine herausragende Arbeit zur Fragen der Ethik in der Psychotherapie, die zentrale Aspekte meines Verständnisses von Qualität berührt, hat Giovanni Maio (Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) 2011 vorgelegt: "Verstehen nach Schemata und Vorgaben? Zu den ethischen Grenzen einer Industrialisierung der Psychotherapie". Der Beitrag ist im Psychotherapeutenjournal 10: 132-138 erschienen, das Heft 2/2011 finden Sie im Archiv der Webseite des Psychotherapeutenjournals als pdf-Datei.

Ich habe nachfolgend zentrale Gedanken seiner Überlegungen aufgegriffen und teils weiterentwickelt (blau).

Einleitende Gedanken

1. Prozesse sind wichtiger als Inhalte

2. Schemata statt verstehende Begleitung

3. Vertragsbeziehung statt Vertrauensbeziehung

4. Credo der Planbarkeit und Machbarkeit

5. Vernachlässigung des nicht messbar Eigentlichen

6. Gegenmodell: Psychotherapie als Zuwendung zum ganzen Menschen

7. Abschluß

Maio zitiert in seinem Beitrag Karl Jaspers (132 und 133):

Was der Mensch im Ganzen sei, kann nicht festgestellt werden in Experimenten und Laboratorien, nicht in Unterhaltungen und Ausfragen, nicht in einem objektiv vorweisbaren Material an Ausdruck, Leistungen, Hervorbringungen des Menschen (…) immer ist der Mensch mehr und anders, als von ihm gewusst und erkennbar wird.

Immer ist der Mensch in seiner Lage als ein Einzelner vor die Aufgabe gestellt, mit seiner Krankheit in seiner Welt eine Lebensform zu finden, die nicht allgemein entworfen und nicht identisch wiederholt werden kann

Jaspers, Karl: Philosophie. Band II: Existenzerhellung

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Praxis für Psychoanalyse und Psychotherapie - Dr. Jürgen Thorwart

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