Psychotherapie und Qualität ('Qualitätsmanagement')
"Qualität ist der stärkste Feind jeder Art von Vermassung. (...) Quantitäten machen einander den Raum streitig, Qualitäten ergänzen einander"
Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. München: Kaiser 1958, Überschrift: Qualitätsgefühl, 24ff
Mein Verständnis psychischer Störungen orientiert sich nicht an einer deskriptiven Beschreibung eines defizitären bzw. gestörten psychischen Erlebens und/oder abweichenden bzw. gestörten Verhaltens und dessen Beseitigung mittels spezifischer therapeutischer Interventionen. Vielmehr wird die erlebte Störung der biopsychosozialen Homöostase, also des äußeren und inneren körperlichen, psychischen und sozialen Gleichgewichts, in Richtung psychischen und/oder psychosomatischen bzw. somatopsychischen Leidens als Ausdruck weitgehend unbewußter Konflikte verstanden. Deshalb wird nicht (wie in der somatischen Medizin aber auch in verschiedenen verhaltenstherapeutischen Ansätzen noch üblich) ein Therapieprogramm von 'wissenden' Therapeut*innen durchgeführt. Vielmehr sind die Patient*innen Expert*innen ihrer inneren Welt (einschließlich verdrängter und verleugneter Anteile), die mit Unterstützung der/s Therapeutin/en (Arbeitsbeziehung) in einem geschützten Rahmen (Setting) erforscht werden kann, um die den Symptomen zugrundeliegenden unbewußten Beziehungsmuster zu entdecken. Die Fähigkeit der Psychotherapeut*innen besteht nicht im abstrakten Wissen über Patient*innen, sondern im kreativen Umgang mit dem von Patient*innen anvertrauten Material (Gedanken, Einfälle, Erinnerungen, Phantasien, Träume) und den sich der Erforschung unbewußter Zusammenhänge entgegenstellenden Kräfte (Widerstand, Abwehr) der Patient*innen. Weil sich unbewußte Beziehungsmuster auch in der therapeutischen Beziehung widerspiegeln (Patient*in: Übertragung; Therapeut*in: Gegenübertragung) kommt dem Erleben und Verstehen der therapeutischen Beziehung eine besondere Bedeutung zu.
Die Einsicht in die Untrennbarkeit der Beobachter*innen vom beobachteten 'Gegenstand' impliziert, daß die Therapie im Wesentlichen ein Prozeß ist, der sich in der therapeutischen Beziehung vollzieht. Dem entspricht, daß die Forschung zur Wirksamkeit psychotherapeutischer Behandlungen übereinstimmend davon ausgeht, daß der Erfolg einer Behandlung nicht in erster Linie mit dem Therapieverfahren, sondern zu wesentlichen Teilen mit der Qualität der therapeutischen Beziehung korreliert (vgl. Wampold & Imel & Flückinger (2018): Die Psychotherapie-Debatte. Was Psychotherapie wirksam macht. Bern: Hofgrefe).
Die therapeutische Arbeitsbeziehung ist von einem respektvollen Umgang mit der Persönlichkeit der/s Patientin/en geprägt. Dazu zählt das Wissen um den Einfluß und die Macht der/s Therapeutin/en auf bzw. über das (bewußte und unbewußte) Erleben und Verhalten der/s Patientin/en, die Bereitschaft diesem nicht eigene Wertvorstellungen überzustülpen und eigenen Wünschen in dieser Richtung reflexiv-kritisch gegenüberzustehen (Neutralität), auf die Befriedigung eigener Wünsche und Bedürfnisse zu verzichten (Abstinenz). Der Erfolg der Therapie mißt sich nicht in erster Linie an einer symptombezogenen Veränderung (Besserung), sondern dem Ausmaß der durch die Behandlung erreichten strukturellen Veränderungen im Sinne einer Erhöhung der Freiheitsgrade (Erleben und Verhalten), die an der Veränderung der Beziehungs-, Liebes- und Arbeitsfähigkeit deutlich wird und i. d. R. auch die Veränderung der zu Beginn der Therapie bestehenden Symptomatik umfaßt.
Qualitätsmanagement
Qualitätssicherungsverfahren wie sie heute standardmäßig bei der Herstellung industrieller Güter angewandt werden orientieren sich an der systematischen Erforschung und Optimierung des Produktionsprozesses mit dem Ziel, daß das gefertigte Produkt den funktionalen, ästhetischen und finanziellen Ansprüchen potentieller Kunden genügt. Im Vordergrund der Qualitätssicherung steht die Standardisierung des Produktionsverfahrens und damit des Produkts (gleichartige Beschaffenheit unabhängig von örtlichen, zeitlichen, personellen oder sonstigen Gegebenheiten). Die Qualität wird als Übereinstimmung des Ergebnisses (Ist) mit der Planung (Soll) gemessen und ist um so höher, je geringer die Fehlerquote im Sinne von der Norm abweichender Produkte ausfällt. Die Produktqualität im Sinne der individuellen und gesellschaftlichen Sinnhaftigkeit, Bedeutung sowie des gesundheitlichen und ökologischen Nutzens bzw. Schadens eines Produkts (z.B. Lebensmittel, Zigaretten/Alkohol, Tellerminen) wird hingegen weitgehend vernachlässigt.
Die Anwendung dieser Vorstellung von Qualität auf Beziehungsdienstleistungen im Gesundheitswesen impliziert die Vorstellung (handelnder) Subjekte und (behandelter) Objekte, die aktiv oder passiv Gegenstand eines normierten bzw. Behandlungsprozesses sind, an dessen Ende angepaßte (Verhalten und Erleben im sozialen Normbereich) und /oder zufriedene bzw. gesunde Patient*innen bzw. 'Kund*innen' stehen.
Demgegenüber steht eine Vorstellung von Prozeß- oder Beziehungsqualität, die von den Beteiligten (Psychotherapeut*innen und Patient*innen) in einer jeweils spezifisch ausgestalteten, interaktiven Arbeitsbeziehung gemeinsam hergestellt wird. Standardisierungsbetrebungen mögen dort, wo es um Behandlungsgrundsätze geht (state of the art; somatisch-psychiatrische, pharmakologische Behandlungsleitlinien) sinnvoll und im Sinne einer Heuristik (methodische Anleitung zur Gewinnung neuer Erkenntnisse) hilfreich sein, müssen allerdings immer auch auf den Einzelfall angepaßt werden.
Im Hinblick auf psychotherapeutische Behandlungen – jedenfalls dort, wo die Übertragungs- und Gegenübertragungsbeziehung im Zentrum des Verstehens psychischen Leidens steht (tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie) – stellt die Standardisierung nicht nur ein Problem dar, sie konterkariert geradezu die Zielrichtung dieser Behandlungsverfahren. Zum Einen besteht unter Forscher*innen (über die Grenzen verschiedener therapeutischer Schulen hinweg) weitgehende Einigkeit darüber, daß die Variable der 'therapeutischen Beziehung' einen zentralen Wirkfaktor für den Erfolg psychotherapeutischer Behandlungen darstellt (Wampold & Imel & Flückinger (2018): Die Psychotherapie-Debatte. Was Psychotherapie wirksam macht. Bern: Hofgrefe).
Zum Anderen sind die genannten Behandlungsmethoden gerade nicht auf die Standardisierung (bzw. Anpassung) des Erlebens und Verhaltes der Patient*innen ausgerichtet. Vielmehr verfolgen sie das Ziel einen Prozeß in Gang setzt, der strukturelle Veränderungen in Richtung der Erhöhung (innerer und äußerer) Freiheitsgrade ermöglicht und damit die Arbeits-, Liebes- und Beziehungsfähigkeit stärkt. Die Linderung und Beseitigung der krankheitswertigen Symptomatik findet dabei prozeßbegleitend statt ohne handlungsleitenden Charakter zu haben.
Eine verfahrensspezifische Standardisierung bei der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychothrapie ist insofern allenfalls da möglich, wo unabdingbare Voraussetzungen bzw. Grundsätze für die Behandlung formuliert werden können, so etwa die Wahrung von Abstinenz und Neutralität oder die Berücksichtigung der Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse. Der Versuch die Behandlungstechnik diagnosespezifisch zu standardisieren scheint von daher problematisch, als sich die individuelle therapeutische Beziehung auch innerhalb einer Diagnosegruppe variiert: Was bei einer/m Patientin/en hilfreich ist, kann in einer anderen Behandlung kontraproduktiv sein – ganz abgesehen von der Frage der persönlichen Passung.
Dem widerspricht nicht, daß auch im Zusammenhang der Behandlung bestimmter Patient*innengruppen Heuristiken (beispielsweise für idealtypische Interventionen oder zu erwartenden Übertragungs-/Gegenübertragungskonstellationen) entwickelt werden. Es handelt sich dann aber eben weniger um standardisierte Leitlinien, sondern um ein heuristisches Vorgehen bei dem allgemeine Hypothesen generiert werden, die zur Gewinnung neuer (einzelfallbezogener) Erkenntnisse und damit dem besseren Verständnis der unbewußten Interaktion im Rahmen der therapeutischen Arbeitsbeziehung bzw. der inneren Welt der Patient*innen dienen.
Die Qualität einer Behandlung besteht gerade nicht darin, eine Leitlinie umzusetzen, sondern dem Bedürfnis (der Psychotherapeut*innen und/oder Patient*innen) nach Standardisierung nicht nachzugeben, sondern ihn in seiner Bedeutung bzw. Funktion zu verstehen. So wäre beispielsweise denkbar, daß es um Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht auf Seiten der Psychotherapeut*innen geht, die sich den Heilungserwartungen der Patient*innen (Gutachter*innen, Krankenkassen, Berufskolleg*innen, Angehörige) ausgesetzt sehen.
QM und Psychoanalyse: Zu der in der DGPT (Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefepsychologie e.V. ) geführten Auseinandersetzung über den Sinn von QM
Anmerkung: Die heftigen Debatten um das Qualitätsmanagement in ambulanten Praxen (Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen) sind längst abgeflaut. Die nachfolgende Absätze daher nicht mehr ganz aktuell, aber vielleicht dennoch (historisch) aufschlußreich.
Im
(internen)
Rundbrief 4/2008 hat die DGPT eine CD mit Umsetzungsvorschlägen für
das QM in psychotherapeutisch-psychoanalytischen Praxen vorgestellt: Sie
beinhaltet Mustervorlagen (der zu diesem Zweck gegründeten
DGPT-Arbeitsgruppe unter Führung von Herrn Platte), die sich teils an
das QEP-System der KV'en anlehnen und ist Mitgliedern vorbehalten, die
bereits an einem von der DGPT veranstalteten QM-Einführungsseminar
teilgenommen haben. Die CD versteht sich (wie auch die von
DGPT-Mitgliedern angebotenen QM-Einführungsseminare) als Versuch, den
Vorgaben des G-BA zum QM in ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen
gerecht zu werden.
Im nachfolgenden Beitrag (Die gesetzliche und ideelle Verpflichtung zum
Qualitätsmanagement: Kritischer Gastkommentar zum Umsetzungsvorschlag
durch die DGPT-Arbeitsgruppe) äußern sich die Autor*innen (Landis in
Zusammenarbeit mit Franke und Döring) skeptisch zum organisatorischen
und inhaltlichen Vorgehen. Aus ihrer Sicht lautet die zentrale Frage:
"Wie verbessern Psychoanalytiker die Qualität ihrer Behandlungen? Der
psychoanalytisch-psychotherapeutische Behandlungsprozess, welcher sich
vom ersten telefonischen Kontakt bis zur letzten Stunde und eventuell
darüberhinaus bis zu einer Katamnese erstreckt, ist auf eine ganz
spezifische Weise an ein Gespräch und eine dieses ermöglichende
Begegnung gebunden: an ein Gespräch, welches den Patienten durch
bestimmte Rahmenbedingungen erleichtert, Unbewusstes in der bewussten
verbalen wie nonverbalen Mitteilung zu transportieren und welches, in
eins damit, die Möglichkeit für den Analytiker optimiert, dieses
Unbewusste aufzunehmen und zu reflektieren. Ein solches Gespräch findet
nicht nur in der Beziehung mit dem Patienten in der Behandlungsstunde
statt; vielmehr stellt es das Wissen generierende und hierdurch das
Qualität verbessernde Prinzip in der Selbstreflexion des Analytikers
während und nach der Stunde, in seinem Gespräch mit Kollegen in
Intervisions- und Supervisionssitzungen sowie nicht zuletzt in Aus-,
Fort- und Weiterbildung dar" (Rundbrief 4/2008: 20). Die
Vorlagensammlung der QEP©-AG der DGPT konzentriere sich demgegenüber
"vorwiegend auf diese formale Ebene, so dass betont werden kann, dass
diese Vorlagen unsere inhaltliche Arbeit nicht oder kaum berührten,
zumindest nicht störten. Eine Fokussierung auf diese Hilfsprozesse ist
so verführerisch, weil sie eher Möglichkeiten bieten, immer weiter
organisiert und gemanagt zu werden. Das hat Folgen für das Gespräch und
seinen Rahmen: Erstere, die Hilfsprozesse, werden aufgewertet (auch nach
außen!) und absorbieren die Konzentration, letztere, das Gespräch und
sein Rahmen, geraten aus dem Blick. Dabei wird jedoch gerade hier all
unsere Aufmerksamkeit benötigt, um wirkliche Qualitätsverbesserungen für
unsere Patientinnen und Patienten zu erreichen. Aus psychoanalytischer
Perspektive gilt es, ein Qualitätsmanagementsystem zu erstellen, welches
knapp und transparent die inneren und äußeren Bedingungen für die
Ermöglichung und Verbesserung eines solch fortgesetzten intra- wie
interpersonellen Gespräches darlegt. Das ist die Aufgabe, die noch zu
leisten ist" (Rundbrief
4/2008: ebd.). Ich stimme
diesen Ausführungen zu. Allerdings gilt es zu bedenken
daß (auch) Psychoanalytiker*innen, jedenfalls soweit sie sich auf das
System der gesetzlichen GKV (die PKV wird vermutlich folgen)
eingelassen haben, nicht im luftleeren Raum leben und sich der
Anpassung an die Vorgaben
(und d. h. nicht zuletzt auch der Sprache und dem Denken in diesem
System) letztlich gar nicht entziehen können. Dem
widerspricht nicht, daß dieser Anpassungsprozeß kritisch reflektiert
wird und werden muß, da er weitreichende Konsequenzen für die
Haltung und damit auch für die Behandlung von Patient*innen hat. Ich
finde es besorgniserregend, wenn Kolleg*innen der Illusion
unterliegen, sie könnten sich als Teil des Systems dessen expliziten und
impliziten Regeln mehr oder weniger vollständig entziehen!
daß auch Überlegungen und Auseinandersetzungen über zunächst formale
Aspekte (organisatorische Praxisabläufe) die inhaltliche Arbeit
berühren. Etwa (so habe ich es in einem QM-Einführungsseminar
erlebt), wenn die Ansichten von Psychoanalytiker*innen darüber, ob
Patient*innen, die eine Nachricht auf Anrufbeantworter hinterlassen
(Suche nach einem Therapieplatz) zurückgerufen werden oder nicht, weit
auseinandergehen und die jeweils unterschiedlichen
Vorgehensweisen auch fachlich-psychoanalytisch begründet werden. Ähnliches gilt auch für andere
Aspekte der Praxisorganisation, so beispielsweise die
Schweigepflicht, die Regelung des Ausfall- bzw. Bereitstellungshonorar
und der Urlaubszeiten.
Exkurs: Money and the Changing Culture of Medicine
Anmerkung: Auch die nachfolgende Absätze sind nicht mehr ganz aktuell, aber vielleicht dennoch (historisch) aufschlußreich.
In der Anfang 2009 erschienenen Ausgabe der Zeitschrift 'The New England Journal of Medicine' haben sich die Autoren (zwei Ärzte des Beth Israel Deaconess Medical Center und der Harvard Medical School) Gedanken über Geld und die daraus resultierenden Veränderungen der medizinischen Kultur gemacht. Sie kommen zu dem (nicht ganz überraschenden) Ergebnis, daß die Tendenz jedem Aspekt ärztlicher Tätigkeit und und Leistung einen finanziellen Wert zuzuordnen zu einer Reduktion der Produktivität, einer Minderung der Qualität der Leistung und dadurch sogar zu einem Kostenanstieg führt (Hartzband & Grooppman: Money and the Changing Culture of Medicine. New England Journal Medicine 360: 101-103). Zu welch absurden Konsequenzen das Prinzip der (begrenzten) Einzelleistungsvergütung geführt hat, sehen wir in der Bundesrepublik Deutschland (bis 2008). War das Praxis-Budget aufgebraucht arbeiteten Ärzt*innen (und Psychotherapeut*innen bei nicht genehmigungspflichtigen Leistungen) sozusagen 'umsonst'. Ob mit der umstrittenen Honorarreform ab 2009 (Pauschalhonorierung pro Patient*in und Regelleistungsvolumen) das Problem gelöst ist, darf bezweifelt werden. Das auch von den Autoren präferierte Prinzip der Zahlung einer einer Pauschale pro Patient*in kann nur dann für alle Beteiligten (Patient*innen, Ärzt*innen, Krankenversicherungen) zufriedenstellend funktionieren, wenn die Honorierung in angemessenem Verhältnis zur Arbeitszeit und den Praxiskosten steht. Das bei überwiegend psychotherapeutisch tätigen Ärzt*innen und nichtärztlichen Psychotherapeut*innen zukünftig angewandte Verfahren einer Kombination aus zeitbezogener Vergütung psychotherapeutischer Einzelleistungen (50-minütige Sitzung) und einem begrenzten Zeitvolumen pro Quartal (das in etwa 36 Therapiewochenstunden entspricht) erscheint hier weitaus sinnvoller.
QNAP: Qualitätssicherung für niedergelassene analytische Psychotherapeut*innen
In einem von 2001-2004 durchgeführten Projekt wurden Behandlungen niedergelassener Psychoanalytiker*innen (nach dem Konzept "Qualitätssicherung für Psychotherapeutische Praxen", Prof. Rudolf - Heidelberg) mittelt verschiedener Tests und diagnostischer Methoden qualitativ untersucht.
"In
der anschließenden Evaluation wurden die Teilnehmer nach ihrer
professionell begründeten Einschätzung befragt, ob die eingesetzten
Instrumente geeignet sind, Krankheitsbild und Behandlungsergebnisse
zutreffend abzubilden, auf Blockaden in den Behandlungen aufmerksam zu
machen sowie neue Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten für die
Behandlung zu eröffnen. Sie beurteilten den Nutzen der Instrumente für
die Qualität der therapeutischen Arbeit, die Praktikabilität im
Praxisalltag sowie die Veränderungen von therapeutischer Beziehung,
Übertragung und Gegenübertragung durch den Einsatz der Fragebögen. Die
Aussagen von 15 Teilnehmern, bezogen auf 63 Behandlungen, erlaubten
keine quantitative Analyse; die qualitative Auswertung stellt einen
Erfahrungsbericht von berufserfahrenen, am Thema interessierten
Praktikern dar. Die Teilnehmer attestierten dem Einsatz der Instrumente
einen begrenzten Nutzen, gaben aber auch skeptische bis negative
Rückmeldungen zu vielen Aspekten. Der Nutzen rechtfertigte aus Sicht der
meisten Teilnehmer den Aufwand nicht. Aus den differenzierten
Rückmeldungen lassen sich Konsequenzen für die zukünftige Gestaltung von
Qualitätssicherungs- (QS-) und Qualitätsmanagement- (QM-)Maßnahmen
folgern."
Piechotta, B. & Müller, U. (2008): Qualitätssicherung für
niedergelassene analytische Psychotherapeuten (QNAP). Evaluation eines
Qualitätssicherungsprojektes von niedergelassenen Psychoanalytikern in
NRW 2001–2004. Forum der Psychoanalyse 24: 382–394 (Zitat: 385)
Maio (2011): Verstehen nach Schemata und Vorgaben? Zu den
ethischen Grenzen einer Industrialisierung der Psychotherapie
Eine herausragende Arbeit zur Fragen der Ethik in der Psychotherapie,
die zentrale Aspekte meines Verständnisses von Qualität berührt, hat
Giovanni Maio (Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) 2011 vorgelegt: "Verstehen nach
Schemata und Vorgaben? Zu den ethischen Grenzen einer Industrialisierung der
Psychotherapie". Der Beitrag ist im
Psychotherapeutenjournal 10: 132-138 erschienen, das Heft 2/2011
finden Sie im Archiv der Webseite des
Psychotherapeutenjournals als pdf-Datei.
Ich habe nachfolgend zentrale Gedanken seiner Überlegungen
aufgegriffen und teils weiterentwickelt (blau).
Einleitende Gedanken
Ursprünglich für industrielle Bereiche entwickelte Konzepte
werden heute Bereichen übergestülpt, "die sich bislang als genuin
soziale Bereiche verstanden haben" (132f).
Die Ökonomisierung der Heilberufe führt zu einem grundlegenden
Wandel: "Vom Dienst am Menschen zum Kundendienst" (133).
Aus ethischer Sich ist ist die Frage von zentraler Bedeutung, "wie
sich die Heilberufe durch die ökonomische Infiltrierung nicht nur
von außen, sondern vor allem von innen her verändern" (ebd.).
1. Prozesse sind wichtiger als Inhalte
Tendenz Vorgänge im Bereich der Heilberufe analog industrieller
Produktionsprozesse zu verstehen, "die in ihren Abläufen nach
Effizienzgesichtspunkten optimiert werden können" (ebd).
Vorstellung eines Herstellungsprozesses (Aristoteles ('poiesis')
- statt einer Praxis, die nach Aristoteles dadurch charakterisiert
ist, "dass sie ihren Wert in sich trägt; das heißt, dass die Praxis
allein dadurch dass sie existiert, bereits Sinn macht (...). Die
poiesis bezieht ihren Sinn und Wert allein aus der Güte des Produkts
das hergestellt wird (ebd).
Aus betriebswirtschaftlichem Denken heraus ist das Herzustellende
nicht einzigartig, sondern "es muss etwas Austauschbares sein, etwas
was vom einzelnen Therapeuten unabhängig zu sein hat, etwas beliebig
Wiederholbares, (...) Kontrollierbares, (...) Garantierbares"
(ebd.). Das impliziert die Möglichkeit eines "objektiv beurteilbaren
und abprüfbaren" Herstellungsprozesses im Sinne eines
Prozessmanagements, "das sich an festgelegten Regeln orientiert. Das
Resultat ist, analog zur Industrie, die Modularisierung und
Standardisierung" (ebd.).
Vernachlässigt wird so, daß Krankwerden ein Geschehen ist, das
verändert, Spuren im Bewußtsein hinterläßt, die nicht einfach
revidierbar sind. Eine Garantie der Herbeiführung der Linderung oder
gar Heilung ist nicht möglich (ebd). Für
Psychoanalytiker*innen ist evident, daß solche Spuren (Beziehungsmuster,
Selbstbilder, Gefühle, Erinnerungen etc.) zu einem bedeutenden Teil
unbewußt, also zunächst gar nicht unmittelbar zugänglich sind,
sondern ausschließlich auf dem Hintergrund eines geschützten
psychoanalytischen Raumes und einer mit der Freiheit
auch Unangenehmes denken phantasieren und träumen zu dürfen
erschlossen werden können.
Psychotherapie zeichnet sich durch die Einmaligkeit der Begegnung
aus, die gerade nicht wiederholbar ist und sich insofern der
"Kategorialisierung vonseiten eines Managementsystems entzieht und
jeder standardisierten Behandlung" entzieht (ebd.).
Die Problematik des Messens bei psychotherapeutischen Behandlungen
ist nicht das Messen an sich, "sondern die Vorstellung, dass mit dem
Messen des Messbaren bereits das Ganze der Therapie eingefangen
werden kann". Dieses Problem ist längst bekannt
und Gegenstand vieler Arbeiten auch unter den Stichworten
'Validität', 'interne/externe Reliabilität', dennoch muß immer
wieder darauf hingewiesen werden, daß sich zentrale Variablen, so
etwa die Qualität der therapeutischen Beziehung dem Messen
weitgehend entziehen. Dies gilt umso mehr, als es sich um unbewußte
(Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse) handelt, die sich mit
den üblichen Mitteln bewußter kognitiver Prozesse (Beobachten,
Beschreiben, Kategorisieren) nur indirekt und ansatzweise
erschließen lassen. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, daß die
Wirksamkeitsforschung übereinstimmend davon ausgeht, daß die
Wirksamkeit von Psychotherapie zu etwa 70% von generellen
(methodenunspezifischen) Faktoren abhängig ist. So
beispielsweise von der Qualität des Arbeitsbündnisses, der Allegianz
(gemeint ist das Ausmaß, in dem Therapeut*innen von der Wirksamkeit
der von ihnen durchgeführten Therapie überzeugt sind) und der
Persönlichkeit der Therapeut*innen. Der umgekehrte Schluß, daß die
Methode weitgehend ohne Einfluß auf die Wirksamkeit bliebe, ist
hingegen nicht zulässig - vielmehr nimmt gerade das jeweilige
psychotherapeutische Verfahren und die es begleitenden Umstände des
Lernens bzw. Erfahrens entscheidenden Einfluß auf die generellen
Wirkfaktoren. Nicht umsonst wird in der Psychoanalyse der
Selbstreflexion und -erfahrung (Lehranalyse, Supervision) eine
außerordentliche Bedeutung zugemessen. Psychoanalytisches Wissen,
psychoanalytische Fähigkeiten und Fertigkeiten (z. B.
psychoanalytische Entwicklungslehre, Empathie, containing, Deuten,
Umgang mit Widerständen der Patient*innen und der/s Analytikerin/s)
können sich nur auf dem Hintergrund eines längerfristigen
Entwicklungsprozesses der Persönlichkeit der/s Psychoanalytikerin/s
entfalten. Das ist weder zu managen, noch effizient zu gestalten,
vielmehr braucht es Leidenschaft, Kreativität, Geduld und Zeit!
2. Schemata statt verstehende Begleitung
Ökonomie und die damit einhergehende Bestrebung der
Effizienzsteigerung führen zu Prozessen der Beschleunigung - es
herrscht das "Diktat der Zeitökonomie" mit der Folge, "dass am Ende
das wegrationalisiert wird, worauf es bei der Gesundung von Menschen
zentral ankommt, nämlich die Zeit (...) für das wirkliche Verstehen
(...) für eine nachhaltige Behandlung, (...) für das Zulassen und
Annehmen eines gemeinsamen Weges in Etappen" (134).
In Zeiten des Qualitätsmanagements wird die persönliche Zuwendung (einfühlernde
Anteilnahme, persönliches Engagement) immer mehr als "idealistische
Beigabe" ("Sahnehäubchen") betrachtet auf die man zugunsten der
Einhaltung von Qualitätsstandards verzichten kann (ebd.).
In der Folge einer marktorientierten Grundhaltung wird die
Behandlung von "hilfsbedürftigen Menschen als reine Handlung
begriffen". Für Psychoanalytiker ist der
Begriff der 'Behandlung' spätestens seit der Einbeziehung
psychoanalytischer Verfahren (tiefenpsychologisch fundierte und
analytische Psychotherapie) in die gesetzliche
Krankenversicherungssystem höchst problematisch. Das medizinische
Paradigma suggeriert eine aktive ärztlich-psychotherapeutische
Haltung bzw. Handlung und eine passive erleidend-empfangende
Patient*innenrolle. Die psychoanalytische Situation ist zwar keineswegs
egalitär, stellt aber das medizinische Paradigma auf den Kopf: Nicht
die/der Psychoanalytiker*in wird aktiv, sondern die/der Patient*in -
in analytischer Begleitung durch sein Gegenüber.
Es kommt zu einem grundlegenden Kategorienfehler: "Denn in der
Psychotherapie geht die Behandlung gerade nicht darin auf, was getan
wird, sondern die Güte einer Therapie bemisst sich auch und gerade
danach, mit welcher persönlichen Einstellung und Motivation, mit
welchem Geist sie vollzogen wird" (ebd).
Es ist nicht die Technik oder alleine "die Applikation einer
bestimmten Methode, die ihre Wirkung entfaltet, sondern es kommt
allem voran darauf an, in welchem Beziehungsgeschehen die Therapien
erfolgen. Und diese Beziehung hat ganz wesentlich mit der Haltung
und nicht mit der Handlung zu tun. Heilung ist als Resultat einer
Begegnung zu verstehen" (ebd.).
3. Vertragsbeziehung statt Vertrauensbeziehung
Die/der "moderne" Patient*in ist nicht mehr ein/e notleidende/r
Hilfesuchende/r, sondern in vielen Fällen ein "Konsument, (...) ein
anspruchsvoller Verbraucher von Gesundheitsdienstleistungen (Hardt &
Müller, 2009)" (ebd.). Der im Gesundheitswesen heute oft verwendete
Begriff des "Kunden" impliziert ein Verständnis eine Gesundheitsdienstleistung, die nicht einzigartig, sondern
austauschbar und von verschiedenen "Dienstleistertherapeuten" (Leistungserbringer
werden sie im SGB genannt) angeboten werden könnrte: "An die
Stelle einer personalen Beziehung ist einer rein sachliche
Vertragsbeziehung getreten" (ebd.).
Menschen in Krisensituationen sind auf eine Persönlichkeit
angewiesen, bei der sie sich aufgehoben fühlen. Das Angewiesensein
auf Vertrauen, die Sehnsucht nach einer Vertrauensperson ist nicht
durch die Lieferung eines "perfekten Produkts" und oder einen
perfekt funktionierenden "Techniker" zu befriedigen (135)
Die Verheißung einer guten Psychotherapie liegt in der Gewissheit (der
Patien*innen und der Therapeut*innen - siehe 'Allegianz') "um
die Beherrschung der Kunst der Psychotherapie" und "das Sein einer
Persönlichkeit" (Therapeut*innen). "Der moderne Trend aber ignoriert
vollkommen die Notwendigkeit der Persönlichkeit und reduziert die
Kunst der Psychotherapie auf eine modularisierte Fertigkeit, streng
nach Leitlinie und streng nach naturwissenschaftlich erhobener
Empirie" (ebd.).
4. Credo der Planbarkeit und Machbarkeit
Die Vorstellung von Evidenzbasierung (verobjektivierbarer
Wirksamkeit) impliziert die Vorstellung "dass im Grunde jede
Krankheit und jede Krise grundsätzlich steuerbar, planbar, behebbar
ist, vorausgesetzt, man wendet die richtigen Mittel an, und sei es
das Mittel der Psychotherapie" (ebd.).
Der
Machbarkeitglaube beruht aus einem mechanistischem Menschenbild (homme
machine) und leugnet, daß Geist und Seele "nicht auf streng
kausaldeterminierte Gesetze rückgeführt werden können" und der
Mensch mehr ist als das, "was naturwissenschaftlich über ihn
ausgesagt werden kann". Die Bewältigung von Krisen kann nicht mittel
objektivierter Mittel 'hergestellt' werden, vielmehr kann sich die
Bewältigung als ein Geschehen ereignen (ebd.). Aus
psychoanalytischer Sicht handelt es sich bei dem Glauben an (fast
grenzenlose) Machbarkeit um einen individuellen
aber auch kulturell verankerten Abwehrprozess. Die Anerkennung von
Ohnmacht, Abhängigkeit, Nicht-Wissen und Endlichkeit stellt eine
Kränkung der ursprünglich kindlichen Allmachtsphantasie dar. Unlust
und Angst, die mit der Anerkennung der Realität menschlicher
Existenz verbunden sind werden durch ein aufgeblähtes Selbst (narzißtische
Größenphantasie) bekämpft bzw. verleugnet.
Freud sprach nicht umsonst im Zusammenhang der
Psychoanalyse von den drei großen Kränkungen der Eigenliebe der
Menschheit:
die kosmologische Kränkung (Kopernikus): Die Erde ist
nicht der "Mittelpunkt des Weltalls (...), sondern ein winziges Teilchen
eines in seiner Größe kaum vorstellbaren Weltsystem"
die biologische Kränkung (Darwin): die "das
angebliche Schöpfungsvorrecht des Menschen zunichte machte, ihn auf die
Abstammung aus dem Tierreich und die Unvertilgbarkeit seiner
animalischen Natur verwies"
die psychologische Kränkung
(Freud/Psychoanalyse), die
"dritte und empfindlichste" erfährt "die menschliche Größensucht durch
die heutige psychologische Forschung (...), welche dem Ich nachweisen
will, daß es nicht einmal Herr ist im eigenen Hause, sondern auf
kärgliche Nachrichten angewiesen bleibt von dem, was unbewußt in seinem
Seelenleben vorgeht" (Freud 1916-17a, XI: 294f).
Auch schätzte er die Chancen der (psychoanalytischen) Therapie recht
realistisch ein, wenn er erklärt, daß es gelingen könne, neurotisches
Leid bzw. Elend in [all-] "in
gemeines Unglück zu verwandeln" (vgl. Freud
1895d, I: 311f).
Die Janusköpfigkeit
machbarkeitsorientierter Botschaften suggeriert Machbarkeit und
Lösbarkeit und weckt in der Folge "Erwartungen und Ansprüche" der
Patien*innen, "die ins Unermessliche gehen" (135f). Vernachlässigt
wird hingegen die Tatsache, daß die Lösung der Probleme durch
Psychotherapie nicht "frei Haus" geliefert wird, sondern vielmehr
Patient*innen selbst ihren Beitrag leisten und etwas in sich selbst
in Gang setzen müssen. Die/der Therapeut*in kann diese "Arbeit der
Bewältigung (...) unterstützen und etwas lenken (...) aber nicht
mehr" (136) .
Wenn die/der Kunde/in 'König*in'
ist, werden aus Psychotherapeut*innen Dienstleistertherapeut*innen,
die ihren Kund*innen ihre Wünsche erfüllen und möglichst wenig
unbequem sind: "Ein solcher Therapeut aber therapiert nicht mehr. Er
erfüllt vielleicht Wünsche, liefert Dienstleistung. Aber ist das
wirklich noch Psychotherapie?" (ebd.).
5. Vernachlässigung des nicht messbar Eigentlichen
Zentrales Element der
Heilberufe ist nicht die Produktion von Heilung und Gesundheit -
aber auch dort und dann, wenn sie nicht heilen können (bzw.
zu dieser Heilung/Bewältigung beitragen können) haben sie
"einen tieferen Sinn" im Sinne der Zuwendung zum anderen in dem
Anliegen des Helfens". Insofern ist das "Heilsame der Therapie (...)
gerade nicht die Wirksamkeit, die sich in messbare Parameter gießen
lässt. Vielmehr besteht doch das Heilsame der Therapie in der Art
der Zuwendung, in der Kraft des authentischen Verstehens" (ebd.).
Das Bemühen um Messung
und Nachweis macht dort Sinn, "wo es darum geht, Therapie von der
Scharlatanerie zu unterscheiden. (...) Aber man macht einen Fehler,
wenn man aus dem Messbaren schließt, dass sich in dem, was gemessen
werden kann bereits alles niederschlägt, worauf es bei einer guten
Behandlung ankommt (ebd.).
6. Gegenmodell: Psychotherapie als Zuwendung zum ganzen Menschen
"Krankwerden kommt nicht
nur zum Sein hinzu, es verändert das gesamte Sein; es radikalisiert
die Grunderfahrungen des Menschen und wirft letzte Fragen auf".
Nicht Qualitätsstandards, sondern Antworten auf Fragen nach dem Sinn
des Leidens, des Lebens und der Existenz sind Ausdruck einer
Haltung, die Patient*innen in ihrer Unverwechselbarkeit wahrnimmt und
ihre "einzigartig-individuelle Biographie zum zentralen Angelpunkt
der Therapie macht" (136f).
Genau hier setzt auch die Überlegung Freuds an: Die Verwandlung
(hysterischen) neurotischen Leids bzw. Elends in (all-) gemeines
Unglück.
Doppelblind kontrollierte
Studien machen aus Patient*innen tendenziell Objekte, denen das an
ihnen Unverwechselbare entzogen wird "um zu generalisierten Aussagen
zu gelangen"(137).
7. Abschluß
Statt einen holistischen
Ansatz zu vertreten richten sich die modernen Heilberufe zunehmend
nach "dem Partikularen" aus und leisten "der Standardisierung und
Modularisierung der Behandlungsformen immer weiter Vorschub".
Dadurch gerät das Verstehen "als Grundform der Behandlung von
Krisensituationen" in den Hintergrund. Der geschützte
"therapeutische Raum, der eine intensive Beziehung ermöglicht" droht
verloren zu gehen - die modernen Heilberufe steuern auf die
"Abschaffung der persönlichen Beziehung zu" (ebd.).
Maio plädiert dafür, daß
sich Psychotherapeut*innen auf "den Kerngehalt ihrer Tätigkeit
rückbesinnen und dafür eintreten, dass ihnen auch in Zeiten der
Ökonomie die Freiheit gegeben wird, um Psychotherapeuten zu bleiben.
Eine Freiheit, die ihnen ermöglicht, sich auf eine Beziehung zum
Patienten einzulassen, ohne vom Diktat des objektivierbaren und
schnellen Erfolgs versklavt zu werden. Diese Freiheit einzufordern
ist eine ethische Verpflichtung des Psychotherapeuten (...)".
Dem ist nichts hinzuzufügen!
Maio zitiert in seinem Beitrag
Karl Jaspers (132 und 133):
Was der Mensch im Ganzen sei, kann nicht
festgestellt werden in Experimenten und Laboratorien, nicht in
Unterhaltungen und Ausfragen, nicht in einem objektiv vorweisbaren
Material an Ausdruck, Leistungen, Hervorbringungen des Menschen (…)
immer ist der Mensch mehr und anders, als von ihm gewusst und erkennbar
wird.
Immer ist der Mensch in seiner Lage als ein
Einzelner vor die Aufgabe gestellt, mit seiner Krankheit in seiner Welt
eine Lebensform zu finden, die nicht allgemein entworfen und nicht
identisch wiederholt werden kann
Jaspers, Karl: Philosophie.
Band II: Existenzerhellung
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Praxis für Psychoanalyse und Psychotherapie - Dr. Jürgen Thorwart |
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